Nimmt man den Erweiterungsbau unserer Kirche zum Anlass für einen Rückblick, so scheint es sinnvoll, das Wirken der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Erkrath in diese Überlegungen mit
einzubeziehen. Nicht nur, weil das St. Josephskloster ebenfalls am Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut wurde, sondern weil das Wirken der Dernbacher Schwestern in 119 Jahren für
unsere Pfarrgemeinde von herausragender Bedeutung war. Zahlen und Angaben zur Tätigkeit der Schwestern im nachfolgenden Text sind der Chronik der Schwestern entnommen.
Katharina Kasper viele Male in Erkrath
Auf Bitten von Pfarrer Heinrich Heggen nahmen am 26. Oktober 1868 vier Schwestern, Schwester Edmunda als Oberin, Profess-Schwester Anysia und die Novizinnen Angela und Anna, von der
Genossenschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi aus Dernbach ihre Arbeit hier in Erkrath auf. Einige Tage wohnten die Schwestern im Pfarrhaus, um am 1. November 1868 ihre Wohnung im alten
Schulgebäude gegen einen Mietzins von 60 Talern pro Jahr zu beziehen. Schon am 3. November 1868 nahm Schwester Anna den Unterricht bei den Mädchen der oberen Klasse und Schwester Angela den
Unterricht bei Jungen und Mädchen in der unteren Klasse der Elementarschule auf. Bereits am 13. November 1868 besuchte die Gründerin und Generaloberin der Genossenschaft, Maria Katharina Kasper,
die neue Niederlassung der Schwestern in Erkrath.
Katharina Kasper, deren Seligsprechung 1978 erfolgte, besuchte bis zu ihrem Tode am 2. Februar 1898 sechzehn Mal ihre Erkrather Schwestern. Einem Wunsch von Pfarrer Heinrich Heggen entsprechend
kam am 14. November 1868 Profeßschwester Guido als 5. Schwester in unsere Pfarrgemeinde, um Handarbeitsunterricht zu erteilen. Am 7. Dezember 1868 schließlich nahm die "Verwahrschule" unter der
Aufsicht von Schwester Anysia ihre Arbeit auf. In der Krankenpflege waren die Schwestern vom ersten Tag an in Erkrath tätig. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 und im 1. Weltkrieg 1914/18
pflegten die Schwestern darüber hinaus noch verwundete Soldaten.
Unterrichtsverbot im Kulturkampf
Der Kulturkampf zwischen Staat und Kirche wirkte sich auch auf die Arbeit der Schwestern in Erkrath negativ aus. Durch die preußischen Kulturkampfgesetze erhielten die Schwestern 1874
Unterrichtsverbot in der Elementarschule, am 1. Mai 1876 erzwangen die Kulturkampfgesetze außerdem die Schließung der Nähschule und der Verwahrschule. Als Reaktion auf diese staatlichen Maßnahmen
bildete sich ein "Comite von acht der angesehensten Bürger“ — wie es in der Chronik heißt - in Erkrath, um monatlich freiwillige Spenden für den Unterhalt der Schwestern einzusammeln. Um den
Lebensunterhalt zu sichern, erhielten die Schwestern aus dieser Sammlung 33 1/3 Taler monatlich, die Miete für ihr Haus wurde durch Pastor Heinrich Heggen erlassen, für die Besorgung der
Kirchenwäsche erhielten die Schwestern jährlich 12 Taler, und 10 Taler jährlich "verdienten" sich die Schwestern mit der Herstellung von Hostien (6 Taler aus der eigenen Pfarrei, und je 2 Taler
aus Unterbach und Hochdahl). Trotz der Kulturkampfgesetze nahmen die Schwestern den Handarbeitsunterricht mit 60 Kindern ab November 1884 wieder auf, allerdings unter dem Namen von Auguste Kürten
- ein Beleg für die ungebrochene Hilfsbereitschaft der Schwestern und für die starke Nachfrage aus der Bevölkerung. Eine erforderliche Reparatur an der Ostseite der alten Schule wurde 1894 zum
Anlass genommen, "ein Stück anzubauen" (Chronik), um ab 2. Mai 1895 Waisenkinder aufnehmen zu können. Der Erweiterungsbau unserer Kirche setzte den Abriss der alten Schule voraus. Für die
Schwestern wurde deshalb das St. Josephskloster, Kirchstraße 5, errichtet. Die Arbeiten für den Erweiterungsbau der Kirche begannen im Mai 1901.
St. Josephskloster: dauerhaftes Zuhause
Zugleich mit der Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau unserer Kirche, am 30. Juni 1901, weihte der Kölner Weihbischof Dr. Antonius Fischer das von der Pfarrgemeinde erbaute und wenige Tage
vorher fertig gestellte und von den Dernbacher Schwestern bezogene St. Josefskloster ein. Weihbischof Dr. Antonius Fischer wurde bei der Einweihung und Segnung der Räume von den Geistlichen der
Pfarrgemeinde Pfarrer Heinrich Pophammer und Kaplan Jansen sowie Rektor Döhmer aus Hochdahl begleitet. Mit dein Bau des Klosters erhielten die Schwestern ein dauerhaftes Zuhause und eine für ihre
Aufgaben geeignete Wirkungsstätte. Die Aufbauphase der Niederlassung war damit abgeschlossen.
In den nun folgenden Jahrzehnten bis zur Auflösung der Niederlassung 1987 arbeiteten die Schwestern in den nachfolgend aufgeführten Bereichen: Erziehung und Betreuung von Kleinkindern; Aufnahme, Versorgung und Betreuung von Waisenkindern, Krankenpflege (häusliche Pflege und Nachtwachen); Versorgung von Wunden in der Ambulanz im Kloster, Altenpflege; Abhaltung von Kursen (Näh- und Kochkurse). Abhängig von den Erfordernissen der jeweiligen Zeit und von den Möglichkeiten der Hilfeleistung durch das Mutterhaus waren längere Zeit bis zu etwa 10 Dernbacher Schwestern in Erkrath tätig.
Am 12. Oktober 1901 begannen die Schwestern wieder mit der im Kulturkampf geschlossenen Kinderverwahrschule, jetzt allerdings in ihrem Kloster. Bereits nach wenigen Tagen nahmen rund 100 Kinder
an dieser Form der Kinderbetreuung teil. Von 1920 bis 1956 – so weit reichen die Zahleneintragungen in der Chronik – besuchten regelmäßig zwischen 46 bis 120 Kinder diese Einrichtung. Mit der
Einweihung des heute noch bestehenden Kindergartens an der Kreuzstraße, am 16. Dezember 1961, übernimmt letztmalig eine Dernbacher Schwester, Schwester Blanka, bis zum 11. September 1970 die
Leitung des Kindergartens.
Viele Waisenkinder betreut
Von 1895 bis 1931 betreuten und versorgten die Schwestern regelmäßig zwischen 15 und 48 Waisenkinder in ihrem Haus. Die Genehmigung für das Waisenhaus erfolgte am 7. Oktober 1901 durch die
Ortsschulbehörde. Der wegen der großen Teuerung erhöhte Pflegesatz für die Waisenkinder betrug im Jahre 1917 fünfundzwanzig bis dreißig Mark monatlich. Die Kinder trugen zu dieser Zeit werktags
Holzschuhe, da Lederschuhe nur gegen Bezugsschein zu kaufen waren und fünfunddreißig bis vierzig Mark kosteten.
Intensive Krankenpflege
Die Eintragungen in der Chronik sind nicht vollständig, dennoch lässt sich z.B. für das Jahr 1933 sagen, dass die Schwestern 4423 Krankenbesuche in Erkrath durchführten (ein Höchstwert). In 88
Jahren – von 1868 bis 1956 – pflegten die Schwestern 20.380 Kranke und sie hielten in der gleichen Zeit 13.846 Nachtwachen. Die Anzahl der Krankenbesuche von 1935 bis 1956, in 21 Jahren also,
lässt sich mit 51.782 aus der Chronik errechnen.
Ambulanz
Von 1932 bis 1954 leisteten die Schwestern 43.172 Dienste in ihrem Haus. Da auch hier nicht alle Dienste erfasst wurden, ergänzend einige Einzelangaben: 1932: 4.894 Dienste, 1933: 5.190 Dienste,
1934: 450 Dienste, 1939: 3.390 Dienste.
Altenpflege
Im Juli 1905 erhielten die Schwestern die Ministerielle Genehmigung „zur Aufnahme altersschwacher und alleinstehender weiblicher Personen“. Von 1922 bis 1943 sind Eintragungen für diesen Bereich
in der Chronik vorhanden. Die Schwestern gaben in dieser Zeit zwischen 14 bis 66 Bewohnern ein Zuhause.
Näh- und Kochkurse
Die Teilnehmerzahlen an Näh- und Kochkursen reichen von 6 bis 61 Teilnehmern (im Durchschnitt 20 Teilnehmer) innerhalb eines Jahres. Die Zahlen für diesen Bereich liegen für die Jahre von 1922
bis 1953 vor, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Schwestern bereits im Jahre 1868 Handarbeitskurse abhielten.
Kloster brannte 1943 aus
In der Nacht vom 22. zum 23. August 1943 brannte das Kloster nach Bombeneinschlag bis auf die unteren Wirtschaftsräume aus. Menschen kamen dabei glücklicherweise nicht ums Leben. Der Wiederaufbau
des Klosters begann am 29. September 1947.
Wegen Geldmangel verzögerte sich die Fertigstellung des Hauses, so dass die Schwestern erst am 15. Oktober 1951 wieder in ihr St. Josefskloster einziehen konnten. Eine zwischenzeitliche
Überlegung von Pastor Dr. Johannes Mohnen, ein Krankenhaus zu bauen, scheiterte an der Genehmigung.
Alten- und Krankenpflege als Schwerpunkt
Einerseits war die völlige Schutzlosigkeit der Menschen bei Krankheit, Unfall und Alter durch die von Bismarck eingeführte Sozialversicherung und durch die 1927 eingeführte
Arbeitslosenversicherung verbessert worden, andererseits aber brachten Krankheit und Pflegebedürftigkeit im Alter viele Menschen in Notlagen, zumal bei den Vertriebenen in unserer Pfarrgemeinde
jede materielle Grundlage zerstört und die Familien und Familienverbände oft auseinandergerissen waren. Es lag deshalb nahe, dass die Pflege alter und kranker Menschen neben der Arbeit im
Kindergarten und in der Krankenpflege ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit der Schwestern wurde. Die mit der wirtschaftlichen Entwicklung ebenfalls gestiegenen Ansprüche an eine mindestens
zweckmäßige Unterbringung im Alter führten in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu dem Ergebnis, dass Altenpflege im St. Josefskloster nach den Bestimmungen der
Heimmindestbauverordnung nur noch zeitlich begrenzt mit einer Ausnahmegenehmigung möglich war und damit zu der Konsequenz, ein neues Haus bauen zu müssen. Im Laufe der Zeit war die Bewohnerzahl
des Hauses im Zuge möglicher Verbesserungen der Lebensbedingungen von etwa 50 Bewohnern nach dem Wiederaufbau des Hauses auf 30 im Jahr 1987 reduziert worden.
Gleichzeitig führte der starke Rückgang bei den Eintritten in die Kongregation der Schwestern zu einer Überalterung und damit zu der Notwendigkeit, Schwerpunkte zu bilden und Niederlassungen
aufzugeben. So kam es, dass die letzte Oberin, Schwester Elmera, am 16. September 1986 Erkrath verließ, die Caritas Betriebsführungs- und Trägergesellschaft, Köln, die Leitung des Hauses übernahm
und am 27. Dezember 1987 die letzten Schwestern im Pfarrsaal offiziell verabschiedet wurden. Wie bei der Aufnahme ihrer Arbeit 1868 waren es bei der Aufgabe der Niederlassung vier Schwestern, Sr.
Annildis, Sr. Ansfriedes, Sr. Cäcilia und Sr. Ortrudis, die zum Jahresende 1987 nach Dernbach zurückkehrten.
Gottesliebe und Nächstenliebe
Die Dernbacher Schwestern verließen Erkrath, so wie sie gekommen waren, ohne Möbelwagen, nur mit persönlichen Habseligkeiten, und sie hinterließen der Pfarrgemeinde das Kloster schuldenfrei. Aber
nicht die materiellen Dinge kennzeichnen diese Epoche, sondern der selbstlose Dienst am Menschen, den die Schwestern nach dem Liebesgebot leisteten. Gottesliebe und Nächstenliebe — in dieser
vorgegebenen Rangfolge und Gleichsetzung — prägten ihr Tun. Dankbarkeit der Pfarrmitglieder zeigte sich in vielfältiger Hilfsbereitschaft gegenüber den Schwestern, die gern in Erkrath lebten. Mit
der sich wandelnden Zeit änderten sich auch die Aufgabenbereiche der Schwestern, die Sr. Christeta Hess (Provinzoberin) anlässlich des 150jährigen Bestehens der Genossenschaft der Armen
Dienstmägde Jesu Christi (2001) so umriss: „Gemäß unserer Sendung leben wir heute mit den Armen an allen Orten der Welt, wo Arme Dienstmägde Jesu Christi sind. Armut hat viele Gesichter.
Wir sehen die Gebrochenheit unserer heutigen Welt, besonders im Leben vieler Frauen, Kinder, Menschen am Rand der Gesellschaft, Flüchtlinge und Asylsuchenden. Wir wollen so da sein und wirken,
dass die Armen ihre Würde als Menschen erkennen. Durch unseren Weg im Miteinander des Glaubens breiten wir das Reich Gottes aus. Dies ist Grundlage und Impuls all unserer Dienste.“
(Nachlese, S. 34, Dernbach 2001).
Gedenktafeln halten Erinnerung wach
Zum hundertjährigen Bestehen des St. Josefsklosters ehrte die Pfarrgemeinde das Wirken der Armen Dienstmägde mit zwei Gedenktafeln am St. Josefskloster, die am 16. September 2001 enthüllt wurden.
Eine Plastik stellt Schwestern in der Kinder-und Altenpflege dar. Der dazugehörige Text lautet: „St. Josefskloster. Erbaut 1901. Wirkungsstätte der Armen Dienstmägde Jesu Christi. Von 1868 bis
1987 arbeiteten die Dernbacher Schwestern in der Kinder- und Jugenderziehung und in der Kranken- und Altenpflege in Erkrath. Die Pfarrgemeinde St. Johannes der Täufer gedenkt der Schwestern und
ihrer aufopfernden Tätigkeit in Dankbarkeit.“
Quelle: „Kontakte“ der kath. Pfarrgemeinde Erkrath
Verfasser: Johannes Herda