Historie der Bruderschaft

Die St. Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e. V. blickt auf eine mehr als 530-jährige Geschichte zurück. Doch wo liegen ihre Ursprünge, und warum ist ihre Verbindung zur katholischen Kirche so besonders? Über die Jahrhunderte hinweg haben engagierte Archivare die Geschichte der Bruderschaft in Festschriften sorgfältig dokumentiert. Auf dieser Seite wird diese historische Überlieferung nun aufgegriffen und weitergegeben.


Vergangenheit der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath

Autor: Archivar Kesting, Düsseldorf; 1934

Quelle: "Festschrift zum 450jährigen Jubelfest der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath"

 

Die St. Sebastianus Bruderschaften haben von jeher am Niederrhein eine Heimstätte gefunden. Ihre Entstehung fällt hauptsächlich in die Zeit des christlichen Mittelalters. Einesteils dienten diese Vereinigungen zum Schutze gegen das Raubrittertum, anderenteils wurden sie eingeführt zur Abwehr gegen die Pest. Baudri sagte im Kirchenlexikon von Aschbach [Joseph Aschbach, *29.04.1801, +25.04.1882, deutscher Historiker]: „… Unter den in Deutschland verbreiteten Bruderschaften verdient besondere Erwähnung die St. Sebastianus Bruderschaft, welche körperliche Übungen und Erheiterungen mit geistigen verbindet und erstere durch die Religion mäßigt und läutert.“ Als besonderen Schutzpatron verehrten sie den hl. Sebastianus. Sebastianus war nach der Legende Oberbefehlshaber der Leibwache des römischen Kaisers Diokletian. Als dieser erfuhr, daß Sebastianus ein eifriger Christ geworden sei, befahl der den mauretanischen Bogenschützen, ihn mit Pfeilen tot zu schießen. Sebastianus wurde an einen Baum gebunden und musste so den Bogenschützen als Ziel dienen, die ihn durch mehrere Pfeilschüsse verwundeten, ohne ihn jedoch zu töten. Unter der sorgsamen Pflege frommer Jungfrauen genas der Glaubensheld wieder und bekannte nach wie vor standhaft seinen hl. Glauben, bis ihn endlich Diokletian mit Keulen erschlagen ließ.

Der hl. Sebastian wurde im Mittelalter auch als Beschützer gegen die Pest verehrt, welche in dieser Zeit furchtbar in vielen Gegenden Deutschlands wütete. Am Niederrhein starben ganze Dörfer aus, und die Häuser wurden von Räubern und umherziehendem Gesindel ausgeplündert. In dieser trüben Zeit verbanden sich die wehrhaften Männer zu Bruderschaften und stellten sich unter den Schutz des hl. Sebastianus. Sie bewachten die entvölkerten Ortschaften und begruben die von der Pest Dahingerafften. Die St. Sebastianus Bruderschaften standen vorzüglich im Dienste der Kirche: sie begleiteten mit ihren Bannern, welche mit dem Bildnisse ihres Schutzheiligen geziert waren, die Prozessionen, geleiteten ihre verstorbenen Mitbrüder zu Grabe, beteiligten sich an dem Empfange eines Bischofs, an der Einführung eines Pfarrers usw. Die Bruderschaften standen in hohem Ansehen. Sie erfreuten sich des Schutzes der geistlichen und weltlichen Behörden und hatten manche Privilegien. Viele adelige und andere hochgestellte Persönlichkeiten ließen sich als Mitglieder einschreiben und nahmen an den Festlichkeiten der Bruderschaften teil. Die Bruderschaften hatten auch die Aufgabe, dem Landesherren, unter dessen Protektorat sie meistens standen, im Kriege Beistand zu leisten. Damit nun die Schützen im Waffengebrauch kundig blieben, fanden sich die Armbrustschützen jährlich zu einem „Freischießen“ zusammen, welches sich bis heute in den sogenannten Schützenfest erhalten hat. Diese Schützenfeste bildeten sich immer mehr zu Volksbelustigungen aus und hatten für die Bürger dieselbe Bedeutung, wie die Turniere für die Ritter. Sie stammen aus Schlesien. Im Jahre 1826 machte der schlesische König Boleslaus den Bürgern von Schweidnitz „ein absonderliches Vergnügen“ und ließ ihnen eine Stange mit einem Vogel errichten. Der Herzog setzte für die besten Treffer Preise aus und demjenigen den ersten, welcher den letzten Stumpf des hölzernen Vogels von der Stange schoß. Der im polnischen Schlesien ansässige deutsche Adel brachte die Sitte des Vogelschießens nach Deutschland und stellte sich selbst an die Spitze der Festlichkeiten. Nach und nach traten in vielen Städten die waffenfähigen Männer zu Schützengilden zusammen. Die Gilden oder Gaffeln bauten Schützenhäuser und Schießbahnen. Die Schützenhäuser und Gaffelhäuser dienten zur Beratung der Vereinsangelegenheiten. „Auf der Gaffel“ wurden der Brudermeister gewählt, Rechnungsablage gehalten, Essen veranstaltet, Beschlüsse gefasst usw. Auf den Schießbahnen fand das übliche Schießen statt. Der beste Schütze wurde „Schützenkönig“, er genoss für das betreffende Jahr verschiedene Vorrechte und trug bei den Aufzügen das sogenannte „Königssilber“. Der jedesmalige König stiftete hierzu einen silbernen Schild. Als im Laufe des 15. Jahrhunderts die Feuerwaffe Eingang fand, bildete sich neben den Armbrustschützen, die das Schießen nach dem hölzernen Vogel beibehielten, eine Abteilung „Büchsenschützen“, welche auf eine Scheibe schossen. Allmählich wurde die Armbrust ganz verdrängt und unter dem hölzernen Vogel brachte man eine eiserne Platte an als Ziel für den Königsschuss.

Mit dem Schützenfeste wurde ein Festzug verbunden, bei dem die Schützen mit Gewehr und unter Begleitung einer Musikkapelle aufmarschierten und vor dem Könige, den Geistlichen und Ehrengästen „Parade machten“.

Das Jahr der Gründung der einzelnen Bruderschaften ist verschieden und kann nicht immer genau angegeben werden. Kriege, Feuersbrünste usw. haben dazu beigetragen, dass in den meisten Fällen die Urkunden über die Gründung der einzelnen Bruderschaften als verloren gelten müssen. Die mündliche Überlieferung hat aber vielfach die Gründungsdaten von Generation zu Generation lebendig erhalten und bietet heute mangels schriftlicher Unterlagen Anhalt für das Alter der einzelnen Bruderschaften.

Die älteste Urkunde, die sich im Besitze der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath befindet ist vom 6. Juni 1698. Sie stellt einen Gnadenbrief des Kurfürsten Johann Wilhelm mit dessen eigener Unterschrift dar und zeigt das anhängende Kurfürstliche Siegel in einer Holzkapsel. Ihr Wortlaut ist folgender:


„Von Gottes gnaden Wir Johann Wilhelm, Pfaltzgraff bey Rhein, deß Heiligen Römischen Reichs Ertzschatzmeister undt Churfürst in Bayern, zu Gulich, Cleve und Berg Hertzog, Graff zu Vedentz, Sponheim, der Marck, Ravensperg und Moerhs, Herr zu Ravenstein etc. Fuegen hiemit Unsern Cantzleren, Geheimen-Hof- und Cammer-Räthen, insbesondere Unseren Bergischen Landtmarschallen, auch Beambten zu Medtman, fort jedermanniglichen zu wißen:

Demnach Wir zu mehrerer bestättig- und anwachsung auch beständiger conversation der vor geraumen Zeiten hero im Kirspel Erckrath aufgerichter St. Sebastiani Bruderschaft, auf underthänigst demütigstes anhalten gemelten Kirspelß Pastorius und Bruderschaft, denselben die Churfürstliche gnade gethan, undt bewilliget, daß der Jenige, welcher beym Jährlichen Vogel-schießen den Vogel rechtmäßig abgeschoßen haben wirdt, zum recompens jdesmal zehn Reichsthaler auß gemeinen Kirspelsmitteln, so jährlichß bey repartier- und umblagung gewohnlichen Landtsteuern Kraft dieses und ohne weiterer Befelchß einholung zeitlicher Richter, Scheffen und Steuererheber mit bey zuschlagen, zu genießen haben, anbey auch von allen selbigen Jahrs vorfallenden ambtsfuhren, und sonsten Handt- und Spandiensten befreyet seyn solle. Alß befehlen Wir solchen nach allen gehorsambst darnach zu richten, undt dem Jenigen, so von gemelter Bruderschaft dieß Jahr den Vogel abgeschoßen, alßwohl auch selbigen inskünftig selbigen abschießen wirdt. Bei würklichem genuß der zugelegten Zehn Reichsthaler, und exemption der ambtsfuhren, auch Handt- und Spandiensten kräftiglich von Unseretwegen zu manntinieren, und darwieder keines Wegs beeinträchten zu laßen.
Daß zu Urkundt haben Wir Unß aigenhändig unterschrieben und Unser Churfürstliches Geheimes insiegel hieran hangen laßen. Geben Düßeldorf den sechsten Juny Tausend sechß hundert acht und neuntzigsten Jahres
Johann Wilhelm Churfst."

Ein weiteres Schriftstück, daß dieselbe Materie behandelt, hat folgenden Wortlaut:

„In Krafft gnädigsten Befehls vom 1. August wird der Bruderschaft Sti. Sebastiani zu Erckrath sub poena juris et contimatia aufgegeben, gestalten den gnadenbrief deß Durchlauchtigsten Churfürsten Johann Wilhelm Christmildesten andenkens vom 6. Juni 1698 daß derjenige, welcher jährlichs den Vogel abschießen würde, unter anderen aus Kirspelsmitteln Zehn Reichsthaler zu genießen haben solle am Donnerstag, den 17ten dieses nachmittags zwey uhr in deß Scheffen Nieden Behausung in originali zu produciren.

Gerresheim den 9ten September 1767.
W. Bewer. mppria.“

Kopie der Urkunde von 1767. Quelle: Protokollbuch der Bruderschaft

Als drittes Dokument aus ältester Zeit besitzt die Bruderschaft noch folgende Urkunde:

„Carl Theodor, Von etc. …

Unseren ggsten Gruß zuvor, wohlgebohrner, liebe getreue. Nachdem wir auf kopeylich anliegende vom Vorstand der S. Sebastiani bruderschaft in Erkrath übergebene unterthänigste bittschrift gemeldeter bruderschaft ggst. erlaubt habem, am nächstkünftigen fronleichnams Tag die procehsion, jedoch ohne schießen und trommeln, auch mit Vermeidung aller Unordnung, zu begleiten, so wird es Euch zur Nachricht uns weiters nötiger Verfügung gnädigst unverhalten.

Düßeldorf, den 1. Juny 1781.

Aus etc.

vt. Fhr. Von Loe.
an beamte amts Mettmann.“

Kopie der Urkunde von 1781. Quelle: Protokollbuch der Bruderschaft.

Aufschluss über die Geschehnisse innerhalb der St. Sebastianus Bruderschaft in neuerer Zeit gibt das älteste Protokollbuch derselben, das mit dem Jahre 1827 beginnt. Es enthält die Statuten der Bruderschaft vom 20.1.1844, die Protokolle über die Abrechnungen von 1827 – 1898, Mitgliederverzeichnisse und Namen der Schützenkönige.

In neuerer Zeit wurde eine neue Bruderschaftsfahne angeschafft die auf der Vorderseite das Bild des hl. Sebastianus zeigt.

Aus Anlass des 400 jährigen Jubiläums der Bruderschaft im Jahre 1884 stiftete der zeitige Pastor Heggen für das Reiterkorps eine geschmackvolle Standarte.

 

Im Jahre 1928 trat die Bruderschaft als eine der ersten der Erzbruderschaft vom hl. Sebastianus bei. Der echt christliche Geist, der von jeher in der Bruderschaft herrschte, hat sich bis auf den heutigen Tag lebendig erhalten. Er wird neuerdings besonders befruchtet durch die Arbeit der Erzbruderschaft, die unter der Devise „Glaube, Sitte, Heimat“ ihre gesamten Mitglieder auf den echten Bruderschaftsgedanken zurückgeführt hat unter Beseitigung aller Mängel, die sich im Laufe der Jahrhunderte eingeschlichen hatten.

Welche Verehrung gerade der hl. Sebastian in der kath. Gemeinde Erkrath genießt, geht schon daraus hervor, daß sein Standbild die Kriegergedächtnisstätte der kath. Pfarrkirche ziert.

Bruderschaft im Jahre 1929. Quelle: Protokollbuch der SSB

Die Bruderschaft war immer ein Hort alter Ueberlieferung. Sorgende Hände behüteten das Königssilber. Von den gestifteten Silberplatten sind heute noch 135 Stück vorhanden. Ein großer Teil der Silberplatten wurde im vergangenen Jahrhundert zu kirchlichen Geräten eingeschmolzen.

Der gute Schützengeist hat sich in der Bruderschaft Erkrath erhalten. Als im Jahre 1929 der auf dem Marktplatz befindliche Schießstand dem Ausbau des Platzes und der Anlegung zweier Verbindungsstraßen zur Gerberstr. weichen mußte, ließen es sich die Mitbrüder nicht nehmen, an neuer Stelle einen modernen Hochstand für Schwer- und Kleinkaliber zu erbauen. Der Bau wurde ausgeführt nach den Plänen des Mitgliedes Architekt Groß. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 5.000 RM [Reichsmark].

Schießstand im Jahre 1929. Quelle: Protokollbuch der SSB

Trotz der finanziellen schweren Opfer die die einzelnen Brüder durch die hohen Baukosten auferlegt erhielten, blieben sie treu der Bruderschaft. Man kann ruhig sagen erst durch den Neubau des Standes wurde das Leben in der Bruderschaft derart angefacht, daß schwierige Krisen glatt überwunden wurden.

Wie die Mitglieder mit der Bruderschaft verwachsen sind zeigt schon allein, daß das älteste Mitglied Heinrich Dietz, mit 85 Lebensjahren schon 67 Jahre Mitglied derselben ist.

Möge das edle Schützenwesen, ein würdiges und männliches Vergnügen, wie es Max von Schenkendorf [Maximilian von Schenkendorf, *11.12.1783, +11.12.1817, deutscher Schriftsteller] nennt, nach der Vorfahren schöner Sitte auch für die Zukunft zur Pflege von Zucht und Ordnung und als Mittel zu Geselligkeit und Frohsinn in dem auf seine Vergangenheit stolzen Erkrath blühen.“


Kompanien der Bruderschaft

Bis ca. 1930/1934 bestand die Bruderschaft nur aus einem Regiment. Zu diesem Zeitpunkt besaß die Bruderschaft jedoch bereits eine eigene Reiterabteilung, die sich 1926 gebildet hatte. Hiernach wurden einzelne Kompanien ins Leben gerufen. Eine nähere Vorstellung der Kompanien finden Sie unter dem Menüpunkt "Die Bruderschaft". Bis zu diesem Zeitpunkt wurden auch keine Jugendlichen aufgenommen.

 

Die 1. Kompanie - die Jäger-Kompanie - gründete sich im Jahre 1934. In dieser Zeit wurde auch die 2. Kompanie - die Johannes-Kompanie - gegründet. Sie stellt bis heute den Fähnrich und die Fahnenoffiziere. 1934/1935 wurde auch die 3. Kompanie - die Grenadiere - aufgestellt. Ihr gehörten meist Männer der handwerklichen Zunft an, aber auch Kaufleute und Beamte.

 

Erst 1932 machte Jean Pohlmann den Vorschlag, eine Jungschützenkompanie zu gründen. Als mit zunehmenden Alter der Jungschützen ein Wechsel in die Altschützenkompanien erforderlich wurden, gründeten sie die 4. Kompanie, auch Hubertus-Kompanie genannt.

 
Auf einer außerordentlichen Generalversammlung vom 27.02.1937 beschloss der Bürgerschützenverein 1893 e.V. Erkrath sich mit der St. Sebastianus Bruderschaft Erkrath zu verschmelzen. Im Jahre 1950 wurde der Bürgerschützenverein neu gegründet.
 

Die Jungschützenkompanie wurde nach dem zweiten Weltkrieg im Jahre 1951 durch Johann Pohlmann neu gegündet. Die ersten Treffen und auch das Schießen fanden in der Werkstatt von Sattlermeister Pohlmann statt. Ihre Regimentsfahne erhielten die Jungschützen 1957 von der Johannes-Kompanie. Hauptamt Hermann Cüppers überreichte sie dem Bezirks-Bundesmeister Robert Hahne zur Weiterleitung an den Jungschützenmeister August Franke. Präses Dr. Johannes Mohnen weichte die Fahne zum Titutarfest. Sie wurde hiernach an den Fahnenträger Alfons Krupp der Jungschützenkompanie übergeben. Anläßlich des Titularfestes 1979 stiftete das amtierende Königspaar Heinz und Christel Bovensiepen eine neue Jungschützenfahne und übergaben sie an den Fahnenträger Ralf Przybisch.

 


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Aus dem Leben der Bruderschaft in den letzten Jahrzehnten

 

Autor: Hubert Hahn


Die Erkrather Bruderschaft im Laufe der Geschichte

 

Autor: Günter Seite

© Sankt Sebastianus Bruderschaft 1484 Erkrath e.V. 

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